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LICHTBOTEN DES HIMMELS
Nürnberger erleben Meteorsturm im Reich der Mitte


Es soll die Nacht aller Nächte werden. Zwölf Hobbyastronomen befinden sich in der Mandschurei im tiefen Landesinnern Chinas, bereit, um ein seltenes kosmisches Schauspiel zu erleben. Sternschnuppen zu Hunderten oder gar Tausenden? Ein wahrer Sternschnuppenregen ist für Asien vorhergesagt, ein Meteorsturm, wie ihn die Welt seit 1966 nicht mehr erlebte. Seit jener Novembernacht, als über den nächtlichen Städten und Dörfern Nordamerikas die Menschen von einem gigantischen Meteorregen geweckt wurden, als der Himmel aufflammte von unzähligen Sternschnuppen.
Doch was sind die Lichtboten des Himmels eigentlich?
Wer eine Sternschnuppe sieht - die aufleuchtende Spur am Himmel verfolgt und zuschaut, wie sie im Nichts verschwindet, kann sich etwas wünschen - so heute der Brauch in Asien, Europa und der arabischen Welt. Über die Erfüllung der Wünsche gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, wohl aber über die "Leoniden", die so heißen, weil sie scheinbar aus einem Punkt in der Mitte des Sternbild Löwen (lat.: Leo) entspringen und von dort in sternförmigen Linien mit 71 Kilometern pro Sekunde über den Himmel fliegen.
Das Schauspiel eines Sternschnuppensturms ist dann zu sehen, wenn das Raumschiff Erde auf Kollisionskurs geht gegen ein langgezogenes, sehr dünnes Band aus kometarem Material, das ein Komet auf seiner Bahn um die Sonne zurückläßt.
Hale-Bopp und Hyakutake waren die großen Jahrhundertkometen vor wenigen Jahren, der Stern von Bethlehem, auch Weihnachtskomet genannt, der wohl bekannteste aller Zeiten.
"Tempel-Tuttle", so heißt der gefrorene Komet der Leoniden, stößt bei jedem seiner Umläufe in Sonnennähe diese Teilchenwolken aus festem und gasförmigen Kometenmaterial aus. Die alten und neuen Staubspuren sind anzusehen wie langgestreckte Wolken, geformt und bestehend aus staubkornkleinen bis pfirsichgroßen lockeren Körpern.
Wenn "Meteoroide", so heißen die Kleinkörper im All, in die dichte Erdatmosphäre eintreten, kollidieren sie mit Teilchen der Luft. Luft und absplitternde Meteorteilchen werden ionisiert und erzeugen eine Leuchtspur - die wir als Sternschnuppe sehen. Innerhalb der Erdatmosphäre heißen die Kleinkörper dann "Meteore" und Stern-schnuppenregen deshalb auch "Meteorschauer". Die Leoniden produzieren die dichtesten und eindrücklichsten Sternschnuppenregen - weshalb sich Meteorfans aus aller Welt nach Asien auf den Weg machten, um den für die nächsten einhundert Jahre letzten großen Sturm zu erleben.
Es ist eine Stunde vor Mitternacht. Xing Hui, unsere Quartiergeberin mit einer Unterkunft an einem See weit außerhalb jeglicher Siedlung, ist ebenso aufgeregt wie wir: "Daß unser sonst so ruhiger Nachthimmel jetzt in Aufruhr kommt, kann ich mir noch gar nicht vorstellen."
Aber es geschieht. Kaum erhebt der Radiant des Löwen seinen Kopf über den Horizont, als erste Atmosphärenstreifer, sog. Earthgrazer, auftauchen. Die längsten sichtbaren Meteore rasen mit leuchtrotem Stecknadelkopf und sprühendem Schweif von einem Horizont quer über das ganze Firmament zum Horizont im Rücken. Atemlos verfolgen wir wie sie damit den Startschuß geben für wahre Flutwellen an Sternschnuppen. Es beginnt über den ganzen Himmel zu regnen. Wohin der atemlose Blick sich wendet, überall tropfen die Lichtfunken vom Himmelszelt. Über ganz Asien das gleiche Schauspiel. Einige von uns gehen vom Uferstrand des gefrorenen Sees auf das dunkle Eis. Welch ein Anblick auf blankpoliertem Spiegel: das Leuchten und Funkeln nun in Dublizität.
Zwei Uhr, das Maximum! Nicht nur sekündlich fallen die Meteore lautlos vom Himmel, teilweise zehn Juwelen in einer Sekunde bieten einen Anblick, der nie mehr vergessen sein wird. Wir zählen und schätzen alle zehn Minuten eintausend sichtbare Meteore, etwa vierzehntausend bis zur Dämmerung.
Mit Fortdauer der Nacht steigt plötzlich die Rate heller Meteore, sog. Feuerkugeln oder Boliden, ungewöhnlich stark an. Grelle Meteorblitze reißen den Nachthimmel auf, strahlen in vielfacher Vollmondhelligkeit in allen Farben. Obwohl die Statistik einem Menschen nur zwei Feuerkugeln in seinem Leben gestattet, werden wir und alle beobachtenden Chinesen mit reichlich einhundert Feuerkugeln beschenkt.
Erst gegen 7.00 Uhr endet der Zauber, als eine Feuerkugel über den Horizont steigt, die als unsere Sonne jede Nacht wieder zum Tage macht.
Yang Guan kam diese Nacht mit dem Wünschen natürlich nicht mehr nach. Den ersten Wunsch verriet sie allerdings: Mehr Frieden und Verständnis unter allen Menschen wäre für Sie schon eine große Erfüllung. Aber auch war sie froh, daß nicht eine der vielen Meteore ihr Haus getroffen hat.
Doch bekanntlich bestehen die Teilchen aus "lockerem" Material und überleben den Zusammenprall mit der Erdatmosphäre selten. Bedrohungsszenarien von verheerenden Meteoriteneinschlägen auf der Erde gehen von der Annahme aus, daß sich eine Katastrophe wie vor 65 Millionen Jahren wiederholen könnte. Damals, so wird vermutet, trug ein im Durchmesser etwa zehn Kilometer großer Meteorit zum Aussterben der Dinosaurier bei. Auch in jüngster Zeit gab es Meteroriteneinschläge, die kleinere, lokal begrenzte Verwüstungen anrichteten: 1908 explodierte ein vermutlich 60 Meter großer Asteroid zehn Kilometer über der Tunguska in Sibirien. Die Druckwelle verwüstete eine 2.200 Quadratkilometer große Waldfläche. 1947 ging in der Nähe von Sikhote-Alin, ebenfalls in Sibirien, ein Schauer von Eisenmeteoriten von insgesamt 70 Tonnen nieder. Der schwerste, bislang gefundene einzelne Eisenmeteorit der Geschichte liegt in Namibia und wiegt 60 Tonnen.
Wie können wir in unseren Breiten das Schauspiel von Meteorerscheinungen erleben?
Auch wenn gewöhnlich in jeder Nachtstunde eine Sternschnuppe sichtbar wird , so gibt es einige besondere Nächte, die wesentlich höhere Zahlen offenbaren. Dabei sind im Sommer die Perseiden (im Volksmund auch Laurentiustränen genannt) in der Nacht vom 12. auf den 13. August die beliebstesten. Grundsätzlich gilt für eine erfolgreiche Beobachtung ein sternenklarer Himmel, kein störendes Mondlicht, ein Standort fern jeglichen Stadtlichts und warme Kleidung. Ohne irgend ein Hilfsmittel eröffnet sich dann jedem das Tor zum Himmel um die Wunder des Kosmos zu erschauen.

Reinhardt Wurzel © 2001

G R A F I K :

Verteilung der wichtigsten Meteorströme* jeden Jahres:
Name Beginn Ende Maximum Std.-Rate*
Quatrantiden 01.01 05.01. 03.01. 60-90
N-Aquariden 19.04. 28.05. 06.05. 40
Perseiden 17.07. 24.08. 13.08. 80-120
Orioniden 02.10. 07.11. 21.10. 20
Leoniden 14.11. 21.11. 18.11. 30-80**
Geminiden 07.12. 17.12. 14.12. 50-70

* die höchsten Raten zeigen sich meist zwischen 1.00 bis 3.00 Uhr
** bei Meteorstürmen erheblich darüber



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